Manchmal denke ich darüber nach, ob und welchen Sinn meine Psychosen hatten bzw. haben.
Irgendwie kommt es mir so vor: früher flüchtete ich aus der realen Welt, indem ich mich Tagträumen hingab. Das funktioniert jetzt für mich naturgemäß nicht mehr, da ich nie Zeit für mich alleine habe. Ich kann nicht stundenlang vor mich hinsinnieren, mich mit der Musik tragen lassen oder in Tagträume abtriften.
Und weil das nicht mehr funktioniert, flüchte ich mich vielleicht in die Psychose hinein, wenn ich überlastet, überfordert bin oder mich nicht verstanden fühle.
Andererseits: vor meiner ersten Psychose war ich andauernd am Tagträumen und gab mich verschiedenen Phantasien hin…
Ich weiß auch nicht! Der Inhalt der Psychosen ähnelt sich ja auch immer. Ich in einer Opferrolle, der ein Gönner mit Hilfe meines gesamten sozialen und gesellschaftlichen Umfeldes, durch eine immense Familienaufstellung helfen will, wieder ein vollständiges, intaktes, lebensfrohes Individuum zu werden, dass sich in der realen Welt glücklich fühlt – trotz aller Verletzungen die es in seinem bisherigem Leben erlitten hat.
Ich habe einiges an Traumen erlitten, aber als Opfer fühle ich mich real nicht. Ich fühlte mich oft allein gelassen. Darum vielleicht eine Sehnsucht im Mittelpunkt alles Geschehens zu sein. Aber mehr kann ich da nicht an Zusammenhang mit der Realität erkennen. Ich lebe ein kleines, aber zufriedenes Leben eingebettet in eine kleine Familie. Ich fühle mich nicht immer verstanden, aber angenommen und akzeptiert.
Jede Psychose bedeutete für mich Gedankenkarusell bis zum Absturz – Resetknopf drücken und Gedanken neu einsortieren. Jedesmal von vorn. Eine große Anstrengung und harte Arbeit. Jedesmal ein Neustart. Wenn der Absturz nicht käme, wäre ja alles nicht ganz so schlimm! Ich vergleiche es mit dem Erwachen aus einem Koma, nach dem du wieder gehen lernen musst. Ist zwar ein gegensätzlicher Vergleich, aber ich muss auch immer wieder von vorne lernen wer welche Person ist und wie sie zu mir steht und vor allem muss ich lernen, meinen Gedanken wieder zu vertrauen.
Denn jedesmal weiß ich schlussendlich nicht nur nicht mehr wie meine Leute heißen und wer sie zu mir sind – ich weiß nicht einmal mehr wie ich heiße, wann ich geboren bin, usw… Darum auch mein ausgeprägter Beziehungswahn, in dem ich mit jedem Zeichen danach suche, einen Hinweis zu finden, der mir weiterhilft in den letztgenannten Punkten auf einen grünen Zweig zu kommen…
Während ich das hier schreibe, werden mir einige Dinge bewusster! Ich sage zwar nicht: ja, die Psychose hat einen Sinn, aber die Psychosen an sich – mit ihren Wahninhalten – sind nicht nur wirres Hirnchaos, sondern folgen ihren eigenen Regeln und enden (wenn auch mit Hilfe von Medikamenten) auch wieder mit einem halbwegs versöhnlichem Ende für mich. Mein Leben ist durch meine Erkrankung nicht sinnlos geworden – die meiste Zeit bin ich klar, glücklich und zufrieden und erfüllt.
Dass jetzt schon lange Zeit keine Stabilität mehr da ist und alles eher chronisch verläuft, ist eine andere Geschichte. Es gehören ja auch noch Manie und Depression dazu!