Gedanken und Berichte

Zweiter Psychiatrieaufenthalt

Tja, ich kam also auf die Geschlossene in Günzburg. Ich war schon einmal auf einer geschlossenen Abteilung, so fand ich die Tatsache nicht abschreckend, da ich damals keine negativen Erlebnisse hatte.
Nicht so hier. Weil ich bei der Aufnahme den Forderungen des Pflegepersonals nicht sofort nachkam – ich war nicht aggressiv, aber durch meinen Wahn sehr selbstbestimmend – wurde ich fixiert. An Armen, Beinen und Bauch. Ich wehrte mich nicht, nahm auch brav die Medikamente. Dann allerdings wurde ich im Stationsbad abgestellt; für einige Stunden – ich weiß nicht wie viele. Schätzungsweise acht Stunden lang. Das war nicht das Schlimme. Das Schlimme war, dass niemand nach mir sah, niemand auf meine Rufe, dass ich auf die Toilette müsse, reagierte. Das war herabsetzend und entwürdigend. Mit all meiner Kraft hielt ich meinen Harndrang aus bis ich befreit wurde. Ich beschwerte mich nicht, weil ich Angst hatte, ich würde gleich wieder in Fesseln gelegt werden…
Gott sei Dank passierte das nicht und ich wurde in einem Dreibettzimmer untergebracht. Dort konnte ich dann endlich schlafen. Aber dieses Erlebnis setzt mir heute noch zu!!! Um zeitnahe Beschwerde zu führen war ich damals nicht in der Lage. Und jetzt interessiert das keinen mehr. Irgendwann erzählte ich meinem jetzigen Psychiater davon. Er war entsetzt, dass das so stationär noch vorkommt.

Die restlichen vier oder fünf Tage verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Ich richtete mich nach dem Tagesablauf, unterhielt mich mit den Mitpatienten, soweit ich und sie in der Lage waren. Sah fern, aß mit den anderen, schluckte brav meine Medizin. Mein Mann besuchte mich fast jeden Tag und hatte die Kleine mit. In einem Besucherraum konnten wir für uns sein. Ich getraute mich kaum, die Kleine anzufassen. In mir war die Ungewissheit, ob ich ihr in meinem Wahn was angetan hatte. Mein Mann versicherte mir, ich sei liebevoll wie immer gewesen – es sei alles in Ordnung.
Nach vier oder fünf Tagen wurde ich in eine Psychiatrische Klinik in der Nähe meines Wohnortes verlegt, wo endlich ein Platz frei war für mich. So musste mein Mann nicht eine Stunde, sondern nur 25 Minuten fahren um mich zu sehen.
Hier war es ganz anders. Alles freier, freundlicher, die Station je nach Patientenbedarf geschlossen oder offen, es wurde mit den Patienten geredet – ich fühlte mich ernst genommen. Alles lief ohne Hektik ab, soweit es ging wurde den Einzelnen ihre Individualität gelassen, Verantwortung für sich selber zurückgegeben. Es gab Sporttherapie, Ergotherapie, Kunst- Musik- und Arbeitstherapie. Die Ärzte gingen auf meinen Wunsch nach Ausgang um meine Tochter zum Kinderarzt begleiten zu können ein, mein Mann konnte mich täglich mit Kind besuchen kommen. Es gab Zweibettzimmer, Leseecken, Fernsehraum, Spiele. Jeder musste aber auch kleine Aufgaben übernehmen wie Blumendienst, Frühstück eindecken, Kuchen backen, usw.
Bis auf eine Auseinandersetzung mit der Ergotherapeutin in der Anfangszeit lief für mich alles gut und ruhig ab. Die Kunsttherapie war nichts für mich – ich fühlte mich zu sehr bedrängt und geführt, als dass ich frei kreativ werden konnte, wenn auch themengebunden. In der Ergotherapie arrangierten wir uns und ich konnte Handarbeiten. Der Rest brachte Spaß und strukturierte den Tag. Tagsüber powerte ich mich voll aus. Da konnte ich nicht ruhen. Nachts schlief ich so tief, dass ich zur Toilette torkelte. Und um drei wars mit dem Schlafen vorbei. Da saß ich dann im Aufenthaltsbereich und schaute Zeitschriften an. Nach einer Woche durfte ich dann auch in der freien Zeit auf Ausgang, was ich immer nutzte. Und wie auch beim ersten Aufenthalt, achtete ich dabei nicht aufs Geld – was komplett gegen meine Art ist.

Nach zwei Wochen hatte ich zwei Testwochenenden zu Hause hinter mir, die mir zeigten, dass ich noch ein wenig Zeit brauchte. Einerseits von der Psychose her, und andererseits um mich noch ein wenig zu erholen. So kam ich noch eine Woche als Tagesklinikpatient in die Klinik. Für mich eine gute Lösung. Nach drei Wochen wurde ich vollständig entlassen. Und mein Entlassungsbrief gleich an meinen jetzigen Psychiater geschickt. So konnte ich nicht aus dem System fallen und meine weitere Therapie war gesichert.

 

 

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