Gedanken und Berichte

der zweite Schub

Meine zweite Psychose hatte ich, als meine Tochter fünf Monate war.
Vor der Schwangerschaft hatte ich selbständig die Medikamente ausgeschlichen. Es hieß ja, nach eineinhalb Jahren könnte man die Medikamente wieder absetzen und alles wäre gut. Somit hab ich in Deutschland angekommen keine Psychiater gesucht und selber reduziert. Die Schwangerschaft verlief ohne Probleme in dieser Hinsicht, die Geburt hatte ich positiv erlebt.
Dann kam die schwierigere Zeit. Ich litt unter dem ständigen Schlafmangel und unter der Hormonumstellung und wurde somit immer weniger belastbar. Um der sehr belastenden Wohnsituation mit meinen Schwiegereltern zu entkommen, machte ich mit meiner Tochter ausgedehnte Spaziergänge und zog mich in unsere kleinen Räumlichkeiten zurück. Körperlich überforderte ich mich total.

Irgendwann begann ich die Energielosigkeit zu spüren, verrichtete meine Aufgaben immer automatischer, wurde misstrauisch gegenüber meinen Schwiegereltern, unterstellte ihnen innerlich alle möglichen schlechten Absichten mir gegenüber. Ich bedrängte meinen Mann, dieser möge den Auszug meiner Schwiegereltern doch forcieren – der war sowieso schon seit langem spruchreif – doch mein Mann saß irgendwie zwischen den Stühlen – da sein Vater erst eine schwere Krankheit durchgemacht hatte. Das Verhalten aller, vor allem meiner Schwiegermutter, zog mich immer weiter runter. Für sie war ich nur ein Störfaktor mit meiner Kleinen. Und das ließ sie mich auch spüren. Ich wurde immer verzweifelter und mein Selbstbewusstsein litt sehr. Ich fühlte mich unverstanden und zunehmend allein in meiner Situation. Ich konnte den Konflikt nicht für mich lösen.
Nach einer gewissen Zeit streikte ich, sagte – ich mache Urlaub bevor ihr auszieht – dann werde ich keinen mehr haben. Ich kam mir großartig dabei vor. Ich rührte keinen Finger mehr im Haushalt – kümmerte mich nur um mein Kind. Nach dieser Euphorie kippte die Realität für mich. Ich rutschte in den mir bekannten Wahn, fing an auszumisten und Dinge wegzuschmeißen, die mich belasteten, glaubte alle Welt könne meine Gedanken lesen, fühlte mich wieder in einer Opferrolle, aus der mich mein Umfeld retten wollte, glaubte an einen, der hinter allem steckte, hatte akustische Halluzinationen, fühlte mich als Mittelpunkt aller Handlungen… Ich aß kaum noch, schlief kaum und die Gedanken begannen zu rasen…

Mein Mann reagierte, ich glaube am dritten Tag, indem er den Notdienstarzt holte und dieser wies mich in die nächste Klinik ein. Er kannte mich nicht in der Psychose und konnte so nicht frühzeitig eingreifen. In der Klinik wurde ich erstmal untersucht, mit KopfCT und allem und dann nach Günzburg in die Psychiatrie auf die Geschlossene gebracht. Ich wusste ich brauchte Hilfe und wehrte mich nicht, war aber trotzdem in meinem Wahngebäude gefangen. Die Abläufe kamen mir bekannt vor (da ich selber Krankenschwester gewesen war), somit hatte ich keine Angst – auch wenn mich mein Mann wegen der Kleinen nicht bis in die Psychiatrie begleiten konnte.
Er hatte in den nächsten Wochen eine anstrengende und schwere Zeit vor sich. Er übernahm die Pflege unserer Kleinen, die von jetzt auf gleich ans Fläschchen gewöhnt werden musste und die die ersten beiden Nächte ohne mich durchgeweint hatte. Er kam mich oft besuchen und musste zu Hause alles am Laufen halten. Aber er brauchte auch die Beschäftigung um nicht zu viel über mein Befinden nachdenken zu müssen. Es dauerte ca. 4 Wochen, bis ich wieder vollständig zu Hause war.

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2 Kommentare zu „der zweite Schub

  1. Hi, bin durch Zufall auf deinen Block gekommen. Mir wurde auch eine schizoaffektive Störung diagnostiziert. Vor fünf Monaten hatte ich meinen zweiten Ausbruch. Wie ich zwischen den Zeilen lese, gehst du sehr bewusst mit deiner „Erkrankung“ um. Der Schock nach dem Realisieren meines zweiten Schubes war für mich sehr groß. Mein empfinden für das was Realität bedeutet hat sich verändert. Ich hatte so gehofft mein Leben weitesgehend „normal“ führen zu können. Ich habe vieles getan um dem zu entgehen. Neuroleptika habe ichzuvor weit über den empfohlenen Zeitraum hinaus genommen. War in der Tagesklinik, habe eine Psychotherapie hinter mir, und nutzte sonstige Angebote.Nur hatte ich die Medis ohne Absprache und weiteres ausschleichen abgesetzt. Ich studiere weiter Jura. Ich habe sehr schnell nach meinem Ausbruch wieder aufgehört Neuroleptika zu nehmen. Zwar war ich früher mit Neuroleptika deutlich konzentrierter und organisierter, hatte aber das Gefühl das auch positive Gefühle wie Empathie oder Liebe schwerer zu empfinden waren. Dein Entschluss Kinder großzuziehen finde ich gut. Zumal du dich sehr verantwortungsbewusst verhälst. Und ich sehe das ähnlich wie du; das dritte Reich ist passe, viele bekommen Kinder obwohl sie nicht die besten Eltern sind. Ich möchte auch gerne Kinder mit meinem Lebensgefährten haben. Doch leider ist mein Vertrauen in Neuroleptika auch was nachbleibende Folgen angeht nicht mehr vorhanden. Ich rede z.B. vom schrumpfen der Gehirnmasse oder Nierenschädigungen. Alle Nebenwirkungen die du unter Zyprexa hattest, habe ich auch gehabt. Ich habe mich gefreut zu sehen, dass sich jemand so abwägend und bewusst für eine Familie entscheidet. Da du auch ausgebildete Krankenschwester bist würde ich gerne deine Einschätzung zur Langzeitwirkung von Neuroleptika erfahren.

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    1. Hallo, freut mich, dass du auf meinen Blog gestoßen bist. Meine Einschätzung zu den Langzeitnebenwirkungen ist, dass ich glaube, man weiß da noch viel zuwenig – zumindest von den Neuroleptika der heutigen Generation. Ich glaube natürlich, dass es zu Veränderungen im Hirn kommt, weil sie ja in den Hirnstoffwechsel eingreifen, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob eine Psychose nicht auch so ihre Spuren hinterlässt. Bei mir geht es ohne Neuroleptika nicht, und somit denke ich nicht allzuviel darüber nach, weil es mir praktisch nichts bringt. Dennoch interessiere ich mich für alternative oder neue Ansätze der Therapie wie Cannabidiol oder Acetylsalicylsäure, aber das dauert wohl noch eine Weile, bis da was spruchreif ist.
      Was klar ist, ich habe unter den NL sehr stark zugenommen, meine Blutfette und Leberwerte sind angestiegen, und manchmal ist mein Blutdruck hoch. Somit brauche ich auf die Langzeitnebenwirkungen gar nicht warten…
      Mit der „Gefühlsarmut“ ist es mir nach der ersten Psychose auch so gegangen. Ein schwer erträglicher Zustand ich konnte mich weder richtig freuen, noch heulen. Jetzt habe ich das nicht mehr, obwohl ich die gleichen NL wie damals nehme. Der Unterschied ich nehme noch ein Antidepressivum dazu – somit sehe ich den damaligen Zustand auch als postpsychotische Depression an.
      Es stimmt, ich versuche mit meiner Krankheit sehr bewusst umzugehen – eben weil ich Kinder habe. Sonst würde das nicht hinhauen, weder für die Kinder, meinen Mann noch mich.
      Ich habe auch eine möglichst stabile Phase ausgesucht um schwanger zu wer den und möglichst wenig NL zu nehmen in der Schwangerschaft – die Ängste, ob ich mich auch richtig verhalte war auch bis zur Geburt da; aber tief in mir drin hatte ich auch ein Gottesvertrauen, dass alles gut gehen wird. Dennoch, noch einmal fordere ich da nix heraus.

      Liebe Grüße Katharina

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